Turteltaube
Sie ist ein Vogel des Laub- und Mischwaldes, besonders häufig dort, wo die Bestände so strukturiert sind, dass genügend Sonnenlicht am besten bis zum Boden fällt. Dort fühlt sich die Turteltaube besonders wohl, auch wenn sie ihre Brutplätze im dichteren Bestand sucht.
Die Turteltaube ist die einzige einheimische Wildtaubenart in Mitteleuropa, die im Winter den Kontinent verlässt. Sie ist somit nicht nur ein Teilzieher wie Ringeltaube und Hohltaube es sind, sondern ein echter Zugvogel, der im nördlichen Afrika überwintert. Südlicher als der Sudan zieht sie nicht und die afrikanische Population ist dort ebenso Jahresvogel wie die Bestände rund um das Mittelmeer. Auch gehört sie zu den Spätheimkehrern, die meist erst Ende April bis Anfang Mai zu uns zurückziehen, einer Zeit in der die anderen Tauben schon eifrig der Brutpflege nachgehen. Um den 20. August, wenn bei uns noch Hochsommer ist, zieht sie wieder südwärts in ihre Wintergebiete, die sie meist nach wenigen Tagen erreicht. Durch eine beringte Turteltaube wurde nachgewiesen, dass sie nachfolgende Strecke binnen weniger Tage bewältigen kann: Am 18. August wurde diese in Südhessen bestätigt und am 2.September in einer Oase in Tunesien tot aufgefunden. Wann genau sie ihr Sommerquartier verlassen hatte ist nicht bekannt, aber innerhalb von 24 Tagen legte sie eine Strecke von mindestens 2600 km Luftlinie zurück. Natürlich ist sie nicht über die Alpen und somit nicht den direkten Weg geflogen, da Turteltauben das Gebirge meiden. Sie kommen auch in Mittelgebirgen nur bis zu einer Seehöhe von 600 m vor. Auch ob sie den direkten Weg über das Mittelmeer genommen hat, ist fraglich. Wahrscheinlich wird sie die Westroute über Südspanien nach Marokko geflogen sein, um dann südostwärts weiterzuziehen. Angenommen, dass dies ihre Flugroute war, hat sie über 3000 km Flugstrecke in 24 Tagen vollzogen, was rechnerisch zwar nur einer Tagesleistung von 125 km entspricht, aber auch hier sieht die Realität vermutlich ein wenig anders aus, denn sie wird wie alle Tauben dazwischen Ruhetage zur Stärkung und zur Rast genutzt haben. Man hat bei Turteltauben bereits Zugstrecken von 250 km pro Tag festgestellt, was für diese kleine Taube eine nicht zu unterschätzende Leistung ist.
Die Turteltaube gehört zu den Kleintauben, was auch ihr lateinischer Name „Streptopelia“ aussagt. Die Familie der Großtauben wie Ringeltaube, Hohltaube und Straßentaube haben die lateinische Bezeichnung „Columba“. Der Zweitname „Turtur“ stammt von ihrem tief gurrenden Gesang einem „turrr turrr turrr“. Bleiben wir beim Ruf der Turteltaube: Dieser unverkennbar sanft eintönige Ruf ist im lichten Laubwald sowie den Gehölzen und Heckenlandschaften des Tieflandes ein typischer und unverwechselbarer Ruf des Frühlings. Er verändert sich nur - und klingt dann eher wie ein hastiges Keuchen - wenn der Tauber mit Nachdruck sein Revier behauptet. Dabei fliegt er steil in die Höhe, um dann im Heruntergleiten so lange zu kreisen, bis er sich auf dem gleichen Baum niedergelassen hat von dem er zuvor gestartet war. Der Tauber ist ein Gentleman unter den Vögeln, denn beim Balzen verbeugt er sich vor der Täubin und macht zumeist 8 bis 10 Knicks vor der Auserwählten. Ganz in Taubenmanier plustert er dann die Brustfedern auf, senkt Kopf und Schnabel, sodass die kleine, schlanke, schmale Taube ihren Körper derart vergrößert, dass es beinahe unnatürlich wirkt. Das Balzverhalten ist sehr intensiv und der Tauber verhält sich gegenüber den Konkurrenten unnachgiebig. Auch gegenüber der Partnerin ist er ein beharrlicher Liebhaber. Es mag auch den Begriff des Turtelns inspiriert haben, dass Turteltauben gerade in der Balz und Aufzugsphase sehr innig und gemeinschaftlich sind. Wie man es auch sehen will; von den Turteltauben können viele andere Arten etwas über die Bedeutung von Partnerschaft, Familie und Jungenaufzucht lernen.
Im Grunde ist diese Vogelart ein recht scheuer Vogel, der sich zumeist in Bäumen geschickt versteckt sodass man sie kaum zu Gesicht bekommt. Am besten kann man die Turteltaube kurz vor ihrem Wegzug im Herbst beobachten. Dann nimmt sie mit den Jungvögeln auch frei sichtbare Leitungsdrähte an. Dem Menschen gegenüber ist sie weniger vertraut wie ihre nächste
Taubenverwandtschaft die Türkentaube. Während man sich dieser teilweise bis auf 20 m nähern kann, fliegt die Turteltaube zumeist vor 50 m davon. Ihr Fluchtradius ist damit etwa doppelt so groß wie der Ihrer Verwandtschaft.
Bei der Jungenaufzucht sind beide Elterntiere voll bei der Sache. Sind die Jungen in Gefahr, flattern die Alttiere als seien sie flügellahm oder verletzt, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Die Turteltaube baut wie alle Tauben ein recht schäbiges Nest ohne viel Aufwand und Engagement aus Zweigen und Wurzeln, meist in einem Busch oder einem Baum in einer Höhe 1,50 m und 3,00 m gelegen. Grundsätzlich baut das Weibchen alleine das Nest, das eigentlich den Namen Nest nicht verdient hat. Denn in Wirklichkeit sind es nur ein paar kreuzweise aufeinandergelegte dünne Zweige, die gelegentlich mit einer Wurzel verstärkt wurden, flach ohne Mulde angeordnet, so schäbig, dass man die zwei weißen Eier von unten durchschimmern sieht. Viele Bruten gehen durch Wind und Witterung verloren, den 14 Tagen Brutzeit und den darauffolgenden 16 bis 18 Tagen Nestlingszeit hält dieser Bau nicht immer stand. Die Jungen verlassen oftmals das Nest bevor sie flügge sind und werden noch einige Tage von den Altvögeln auch außerhalb des Nestes versorgt. Bei uns kommt es zumeist zu zwei Bruten im Jahr, wobei oftmals eine der Bruten ausfällt. In warmen trockenen Jahren kann es auch zu drei Bruten kommen, dies gehört allerdings eher zu den Ausnahmen.
Die Turteltaube ist die kleinste Art unserer mitteleuropäischen Wildtauben. Ihr sicherstes Erkennungsmal gegenüber der Türkentaube ist, dass sie grundsätzlich an den Flügeln und Rückenfedern braune Töne aufweist, am Halsansatz eine Halsfleck hat, der aus schwarzen, weißen und auch bläulichen Streifen besteht, sowie das orangerote Auge mit deutlichem roten Lidring. Die Jungvögel haben vor ihrer Erstmauser keinen Halsfleck ausgebildet.
Unverkennbar und besonders beim Fliegen gut zu erkennen ist der weiße Endsaum der Schwanzfedern. Die Türkentaube hingegen ist nahezu einheitlich grau, hat am Hals einen schwarzen Halsring, der wie ein Halbmond aussieht und der ihr den Namen Türkentaube gegeben hat. Dieser Vogel lebt im Bereich von Höfen, Siedlungen, Parks und Gärten und ist dem Menschen gegenüber keineswegs scheu. Die Turteltaube ist ein wendiger Flieger, die sich beim Abflug mit Flügelklatschen bemerkbar macht und teilweise durch ihr ruckartiges Flugverhalten auffällt. Besonders vor der Landung ist ihre Flugweise recht schwankend. Die Turteltaube ernährt sich nahezu komplett von Samenkörnern. Diese stammen zumeist von Unkräutern. Besonders zu erwähnen ist hier neben dem Sandkraut und dem Ackersenf auch der gewöhnliche Erdrauch, ein weit verbreitetes Ackerunkraut. Das mag auch der Grund sein, warum die Vögel erst Ende April bei uns ankommen. Zuvor sind nicht genügend solcher Samen vorhanden. Grassamen und gelegentlich auch kleine Schnecken ergänzen ihr Nahrungsspektrum. Die Bestände der Turteltaube sind in Mitteleuropa in den letzten drei Jahrzehnten drastisch eingebrochen, obwohl ihre Habitatsansprüche sich in der Landschaft nicht verschlechtert haben. Eigentlich haben diese sich aus klimatischer und waldbaulicher Sicht durch Biotopverbesserungen in Heckenstrukturen sogar verbessert. Auch wird die Turteltaube in Mitteleuropa nicht bejagt. Aktive Eingriffe des Menschen in die Bestände finden nicht statt. Das Hauptproblem ist, dass sie immer weniger geeignete Nahrung findet. Wir Menschen haben durch die geordnete Nutzungsformen der Landwirtschaft unbewusst diese negativen Gegebenheiten geschaffen. In den immer häufigeren großen Flächen von Mais und Raps, sowie in den geschlossenen Beständen der Hackfrüchte, aber auch des Getreides fehlen Stellen für Unkräuter. Somit verhungert diese Vogelart genau wie Rebhuhn, Feldsperling und Wiesenralle förmlich in der nahrungsreichsten Zeit in unserer Landschaft: im Sommer. Beim alljährlichen Rückzug in die Winterquartiere ist ein enormer Aderlass durch Witterungseinflüsse, Zugopfer, Jagd in den afrikanischen Ländern, Prädatorendruck und unzähligen anderen Gefahren zu verzeichnen. Nur wir haben unter anderem für diese Vogelart, die bei uns brütet und hier den Grundstein zur Populations- bzw. Arterhaltung legt, die Nachhaltige Verantwortung. Unsere Feldflächen müssen wieder lebenswerte Bereiche sein, die alle ernähren und nicht nur die menschlichen Bedürfnisse befriedigen.
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